Das Ende des deutschen Jahrzehnts

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Frankreich hat Deutschland mittlerweile in Sachen Wachstum überholt (gut, größte Volkswirtschaft der EU sind sie noch nicht), deutsche Banken knabbern mit einer extrem niedrigen Eigenkapitalrendite (0,4%) bei gleichzeitig extrem hohen Kosten-Ertrags-Verhältnis (82%), die Schlüsselindustrien Automobil- und zeitverzögert Maschinenbau kommen ohnehin mit Schlagseite daher und werden in den nächsten 5 Jahren noch mehr Federn lassen (Daimler gilt derzeit als Übernahmekandidat, eine ganze Reihe von deutschen Maschinenbauern sind aufgekauft worden), Energiewirtschaft extrem schlecht positioniert (sowohl als Erzeuger als auch als Hersteller von alternativen Technologien), von BER und der geplanten Südtrasse (Karlsruhe–Basel - Schweiz schon fertig, Deutschland geplant 2041) gar nicht erst angefangen. Das jetzt die vier größten deutschen Kriegsschiffe seit 1945 unter niederländischer Führung gebaut und die Panzerproduktionen nach Airbus-Modell nach Frankreich verlagert werden, dürfte aus Friedensperspektive erstmal kein Fehler sein, ist aber ansonsten das i-Tüpfelchen der aktuellen Nachrichtenlage.

my opinion:
Sehr gut. Deutschland kommt mit Führungsrollen historisch betrachtet ohnehin schlecht zurecht. Das jetzt Frankreich auf dem Gaspedal steht - geschenkt. Zeit endlich notwendiges anzugehen, ohne den überheblichen "Bei-uns-läufts-ja"-Moralbonus der letzten Jahre. Lieb wäre mir allerdings, wenn die Automobilindustrie überleben würde. Ich bin jetzt kein Panikprophet, aber da reiben sich ja schon einige die Händchen vor Schadenfreude. Bankentechnisch wirds wohl auch wieder krachen, so lang die Genossenschaftsbanken das überleben und die großen Namen der Branche nicht einfach untergehen, sondern fleissig fussionieren (gerade auch inner-europäisch), ist alles well done für mich.

Das anlaufende Jahrzehnt wird für Deutschland schmerzlich, davon bin ich überzeugt. Ob das vom Primus gleich wieder zum kranken Mann Europas werden muss, wird sich zeigen. Potential dafür wäre vorhanden.
 
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Bei dem provokanten Titel nehme ich mir angeregt durch den "Diskussionston" Thread doch direkt mal Heators feinen Diskussionsstil zum Vorbild:

Die deutsche Autoindustrie ist mir egal, ich fahre kein Auto und kenne auch niemanden der in dieser arbeitet, betrifft mich in der Mitte von Neukölln nicht unmittelbar -> interessiert mich nicht.
Von mir aus können sie aus der deutschen Autoindustrie Supermärkte und Parkplätze machen. Das ist schon lange überfällig.

So lange die deutschen nicht verhungern halte ich dein Szenario für übertriebene Panikmache.
 
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Also wenn es einem um zwei Branchen nicht Leid tun sollte, dann doch um Automobile und Finanzen. Die haben sich doch wohl beide selber in die Scheiße bugsiert. Ansonsten ist es imo auch sehr schwarz gemalt, was YNC da aufstellt:
In der Energiewirtschaft z.B. ist es gar nicht so schlecht um uns bestellt (imo). Wir sind was Windenergie angeht führend mit dabei und haben noch ein relativ stabiles Netz. Gibt es hier in der Zunkunft Probleme in Bezug auf Modernisierungs-, Unterhalt- und Ausbaukosten? Klar! Aber nicht mehr als in anderen Ländern auch. Ausfälle wie es sie teilweise in den USA gab wären bei uns (noch) undenkbar. Genauso sieht es mit der deutschen Infrastruktur aus. Gibt es viel Sanierungsbedarf? Klar, besonders bei Brücken! Aber ne Situation wie in Genua ist bei uns schon sehr unwahrscheinlich.


Grundsätzlich stimme ich aber zu, dass wir in eine Zeit kommen, in der Investitionen unabdingbar nötig werden und ich dieses unbedingte Festhalten an der schwarzen Null nicht nachvollziehen kann. Da bin ich ganz bei der SPD-Doppelspitze: Es wird Zeit, wieder ordentlich Geld in die Hand zu nehmen und ein paar Maßnahmen loszutreten.
 
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Als wir der kranke mann europas waren, ging das an mir vorüber. Die Primus Jahre haben mich auch nicht tangiert. In der Presse heißt es auch stets "Deutschland dies, Deutschland das..." Keine Ahnung wen die meinen, wahrscheinlich die gmbh.
Toll wäre doch wieder kurzarbeit. Nur mit dem Unterschied sie nicht als Problemzustand, sondern progressive gesellschaftliche Entwicklung zu framen.
 
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Kurzarbeit ist ne tolle Sache, der Stundenlohn steigt dadurch deutlich :deliver:
 

Gustavo

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Na ja, man sollte auch nicht vergessen, dass einer der Gründe dafür, dass es das deutsche Jahrzehnt war, dass es bei den anderen Volkswirtschaften größtenteils mies lief. Um Deutschland muss man sich imho weniger Sorgen machen, weil die guten Jahre doch ein deutliches Polster aufgebaut haben, mit dem man seine Handlungsfähigkeit im Abschwung behält und es ist für uns auch alles andere als schlecht, wenn andere große Volkswirtschaften in Europa stärker wachsen. Besorgniserregender als das Szenario "Abschwung in Deutschland" ist für mich "Zusammenbruch in Italien".
 

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Ich kann den Optimismus ehrlich gesagt nicht teilen. Maschinen- und Automobilbau sind unsere Kernindustrien, wenn die zerbröseln, fängt das erstmal kein Binnenmarkt auf - der ist in Deutschland traditionell nicht zuletzt durch den Niedriglohnsektor eher mau ausgeprägt. Natürlich finden Umstrukturierungen erst durch Schmerz statt, da ist die Gesellschaft wie der typische Otto.

Taktgeber sind und bleiben die USA (Technologie, Banken) und China (Technologie, Industrie). Man muss sich schon fragen, in was Europa noch führend ist: Ressourcen haben wir keine, Industriell haben wir den Anschluss an China schon lange verloren, Finanztechnisch von den USA abgehängt. Das ist alles schon längst gelaufen und passiert - hat man halt noch nicht so wirklich mitbekommen, weil man noch gut von der Substanz lebt. Klar, kulturell ... nunja. Sicher. Ode an die Freude. Ob das reicht?

Um das jetzt aber nochmal auf Deutschland zu münzen und den Threadtitel: Das "deutsche Jahrzehnt" war ja nicht nur von wirtschaftlicher Dominanz geprägt, mir fällt da auch die Führungsrolle in der Troika ein, Merkels durchaus beachtliches Geschick auf der internationalen Bühne (wenn man auch sonst nichts von ihr halten mag, eine Netzwerkerin war und ist sie - manche würden es auch Strippenzieherin nennen).

Mit dem Energieumbau hat man sich jedenfalls ein fettes Projekt ins Haus geholt: Einerseits soll der Individualverkehr elektrifiziert werden (im zweiten Schritt sogar der Lastverkehr, siehe Teststrecke eHighway Frankfurt): D.h. mehr Last auf System, gleichzeitig nehmen wir aber potente Energietechnologien vom Netz (Stichwort Atomenergie - halte ich nach wie vor für einen gravierenden Fehler. Anders sieht es beim Stichwort Kohle aus - folgerichtig, aber auch hier wieder: billigend erstarkt durch Atomausstieg ohne scheinbaren Weitblick).

Mir fehlt derzeit jedenfalls der Glaube, dass es in Deutschland derzeit genügend Durchsetzungsqualität vorhanden ist, um ein umfangreiches Projekt dieser Größenordnung nur halbwegs vernünftig und sachverständig anzugehen. Das ist einfach kein Pappenstil, sondern ein Paradigmenwechsel (jaja, 5€ fürs Phrasenschwein): Da kommt doch nachher unter Garantie wieder so ein Murks raus wie die PKW-Maut. Undurchdacht, Populistisch aufgeladen, regelseitig und technologisch zu komplex. Deutschland ist bei seinen Projekten immer ein bisschen unterwegs wie so ein typisches SAP-Großprojekt, von dem alle beteiligten Seelenaids bekommen und das nach 5 Jahren und ein paar Milliönchen still und heimlich begraben wird.

Von daher muss ich natürlich über tzui und ticor die Stirn runzeln. Klar, wenn man in der Innenstadt wohnt und auch sonst nicht irgendwie verbandelt direkt oder indirekt in der Automobilindustrie/Maschinenbau arbeitet, wen juckt da erstmal die Autoindustrie. Haha. Sind halt Steuergelder, die hier erwirtschaft werden - jetzt nicht mal direkt die Körperschaftssteuer auf Gewinne, aber der ganze Rattenschwanz an Lohnsteuern, Gewerbesteuern der Kommunen. Daimler, VW und BMW produzieren noch wie viel selbst an einem Auto? Größenordnung 20%? Der Rest ist die Zuliefererkette, in der Verästelung bis in die fünfte oder sechste Ebene (irgendwelche Präzisionsklitschen auf der schwäbischen Alb, die Zulieferer eines Zulieferers sind, der Bosch zuliefert, der Schäfler zuliefert, die VW zuliefern ...). Was hab ich zuletzt gelesen? Größenordnung 900.000 Arbeitsplätze? Besonders Arbeitsplätze der Kategorie überdurchschnittlich gut bezahlter Manteltarifvertrag. Nicht die 1200€ Brutto Werbeagentur Jobsters.

Klar kann man sagen, wird schon irgendwie aufgefangen - derzeit sind 44 Millionen erwerbstätig. Wenn da jetzt 900.000 wegfallen ... ja mei, sollen die halt auf Altenpfleger umschulen. Werden eh gebraucht und sind ja immer noch 43 Millionen da. Passt schon.

Vielleicht täusche ich mich: Ich glaub, das wird mehr weh tun als man es jetzt vermutet. Wir werden sicher kein Bauernstaat ala Rote Khmer, aber vom aktuellen Wohlstand (Häuschen, Urlaub, 2 Autos und 2 Kinder) wird man in Deutschland abrücken und sich da eher an unsere europäischen Nachbarn angleichen. Das wird für den allergrößten Teil des Mittelstands einfach kein Thema mehr sein, Urlaub macht man halt dann (wenn überhaupt) im 100-150km Radius, Eigenheim wird eher schwierig, aber vielleicht kommen hier dann die Mehrgenerationenwohngemeinschaften wieder in Mode, zurück zu Mutti und Papi. Und Auto? Ja gut, muss man natürlich sagen, ist durch die Urbanisierung eh schon bei den jüngeren Jahrgängen rückläufig: Wobei hier natürlich wieder ein Thema wird, dass sich die Leute keine Bude in der Stadt leisten können und auf dem Land ist ÖPNV halt kacke. Andererseits wird man sich ein Auto dann ebenfalls nicht mehr leisten können und Individualverkehr ohnehin Hitler: Mal sehen.

Wie oben schon geschrieben, ich hab nicht so das Problem mit dem Wandel ansich: Das ist einfach normal. Dinge bleiben eben nicht so, wie sie waren. Und auf gute Fresszeiten kommen hungrige Zeiten, kennt man privat, kennt man auch gesellschaftlich. Unredlich finde ich nur, dass das ausgeblendet und geleugnet wird, was für Konsequenzen es mit sich bringt und alle ein bisschen so tun, als ob sich zwar total viel verändert, aber für den Einzeln natürlich alles so fein bleibt, wie man es gewohnt ist. Das ist natürlich Bullshit.
 
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parats'

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Na ja, man sollte auch nicht vergessen, dass einer der Gründe dafür, dass es das deutsche Jahrzehnt war, dass es bei den anderen Volkswirtschaften größtenteils mies lief. Um Deutschland muss man sich imho weniger Sorgen machen, weil die guten Jahre doch ein deutliches Polster aufgebaut haben, mit dem man seine Handlungsfähigkeit im Abschwung behält und es ist für uns auch alles andere als schlecht, wenn andere große Volkswirtschaften in Europa stärker wachsen. Besorgniserregender als das Szenario "Abschwung in Deutschland" ist für mich "Zusammenbruch in Italien".

Lässt sich denn abschätzen wie "stark" dieses Polster ist im Verhältnis zu anderen EU-Staaten wie bspw. Frankreich?
Oder ist der Vergleich an sich sowieso unsinnig, wenn wir im Rahmen der EU soweit denken und eine stärkere Vergemeinschaftung alles ausgleicht.
 
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Ich vestehe nicht ganz, worauf der OP hinaus will: Mein Gott, Frankreich hat jetzt mal eine stärkere Wachstumsphase als wir - die haben reformmäßig auch einiges nachzuholen -, aber ein Grund für Abstiegsangst sehe ich darin nicht. Ich müsste auch erstmal erklärt bekommen, was man sich von dem Status "stärkste Wirtschaftsnation Europas" überhaupt kaufen kann, um mir Sorgen um Deutschland zu machen für den Fall, dass es diese Position irgendwann nicht mehr inne hat.
Davon abgesehen, sehe ich das nicht am Horizont. Der OP impliziert zwar, dass Frankreich uns dicht auf den Fersen sei ("noch nicht größte Volkswirtschaft der EU"), aber tatsächlich ist Frankreich weit abgeschlagen und es müsste schon einiges passieren, damit das in den nächsten Jahrzehnten ein Thema wird: sowohl beim BIP pro Kopf als auch bei der Bevölkerung ist Deutschland deutilch voraus und der Trend im Bevölkerungswachstum hat sich zuletzt sogar angeglichen.
Was die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie angeht, ist Deutschland nach allem, was ich weiß, sehr viel besser aufgestellt als Frankreich und es gibt wenig Grund anzunehmen, dass sich das in absehbarer Zeit fundamental verändern wird. Natürlich stehen der Autoindustrie Schicksalsjahre ins Haus. Es wird viel davon abhängen, wie stark der Weltmarkt in Batterieantrieb pusht oder ob mit dem deutschen Modell verträglichere Alternativen wie E-Fuels rechtzeitig bereitstehen, so dass man nicht erst die gesamte Infrastruktur umkrempeln muss. Es mag sein, dass die deutsche Industrie da einige Hausaufgaben vergessen hat, wie man häufig hört. Aber Schrumpf ist noch nicht gleich Untergang. Und unterm Strich haben wir als Nation von einer Trendwende weg vom motorisierten Individualverkehr - wenigstens innerhalb großer Städte - sehr viel mehr zu gewinnen als zu verlieren. Darum sehe ich das relativ gelassen.
Politisch sehe ich tatsächlich einige Vorteile bei Frankreich, weil ich insgesamt an die höhere Performanz und Effizienz eines zentralistischen Systems glaube, gerade wenn es darum geht große Umschwünge zu managen. Aber wie sehr das tatsächlich ins Gewicht fällt, ist unklar. Da wird mit Frankreich und allen anderen europäischen Partner derart eng verwoben sind, empfinde ich grundsätzlich keine Ängste vor deren wirtschaftlichem Aufstieg - selbst wenn das bedeutet, dass wir die Führungsrolle dabei langfristig verlieren.

Lässt sich denn abschätzen wie "stark" dieses Polster ist im Verhältnis zu anderen EU-Staaten wie bspw. Frankreich?
Oder ist der Vergleich an sich sowieso unsinnig, wenn wir im Rahmen der EU soweit denken und eine stärkere Vergemeinschaftung alles ausgleicht.
Wirklich sinnvoll finde ich den Vergleich aus den genannten Gründen nicht. Aber unsere Haushaltslage inklusive Schuldenquote ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern schon sehr gut. Dadurch haben wir enorme Investitionsspielräume. Wir nutzen sie bisher nur nicht, was wohl hauptsächlich daran liegt, dass es uns im Vergleich zu anderen derzeit wirklich noch zu gut geht. Ich gehe aber davon aus, dass das mit steigendem politischen Druck früher oder später passieren muss. Lange gewinnt man mit der schwarzen Null jedenfalls keine Wahlen mehr ...
 
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parats'

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Okay. Ich hatte schon häufiger von einigen Ökonomen gelesen, dass es in einer überschuldeten Welt grundsätzlich schlecht sei seine Schulden zu reduzieren. Ich glaube das kam u.a. von Daniel Strelter, was dann deine Investitionsspielräume wären korrekt? Allerdings lese ich da oft genauso viel Uneinigkeit wie bei der Berwertung der Target2 Salden, wo es auch hier im Forum etliche Diskussionen unter den Ökonomen zu gab.
 
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Ich kenn mich bei der thematik ja absolut nicht aus aber ich frage mich in wieweit die aktuelle situation in Deutschland tatsächlich auch durch versäumnisse der firmen in Deutschland verbrochen wurde. In vielen artikeln die ich gelesen habe wurde der aktuelle "slow down" der weltwirtschaft hauptsächlich an zwei dingen festgemacht: 1. Handelskrieg USA-China und 2. Brexit. Das so ein "slow down" in der weltwirtschaft "exportnationen" wie Deutschland erst mal härter trifft als andere länder erscheint mir schon einleuchtend. Scheint aber nach dem was ich so gelesen habe auch nicht direkt an der konkurrenzfähigkeit Deutscher firmen zu liegen.
 

Gustavo

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Ich kann den Optimismus ehrlich gesagt nicht teilen. Maschinen- und Automobilbau sind unsere Kernindustrien, wenn die zerbröseln, fängt das erstmal kein Binnenmarkt auf - der ist in Deutschland traditionell nicht zuletzt durch den Niedriglohnsektor eher mau ausgeprägt. Natürlich finden Umstrukturierungen erst durch Schmerz statt, da ist die Gesellschaft wie der typische Otto.

Taktgeber sind und bleiben die USA (Technologie, Banken) und China (Technologie, Industrie). Man muss sich schon fragen, in was Europa noch führend ist: Ressourcen haben wir keine, Industriell haben wir den Anschluss an China schon lange verloren, Finanztechnisch von den USA abgehängt. Das ist alles schon längst gelaufen und passiert - hat man halt noch nicht so wirklich mitbekommen, weil man noch gut von der Substanz lebt. Klar, kulturell ... nunja. Sicher. Ode an die Freude. Ob das reicht?

[...]

Wie oben schon geschrieben, ich hab nicht so das Problem mit dem Wandel ansich: Das ist einfach normal. Dinge bleiben eben nicht so, wie sie waren. Und auf gute Fresszeiten kommen hungrige Zeiten, kennt man privat, kennt man auch gesellschaftlich. Unredlich finde ich nur, dass das ausgeblendet und geleugnet wird, was für Konsequenzen es mit sich bringt und alle ein bisschen so tun, als ob sich zwar total viel verändert, aber für den Einzeln natürlich alles so fein bleibt, wie man es gewohnt ist. Das ist natürlich Bullshit.


Es wäre in der Tat bedenklich, wenn die "zerbröseln", aber davon kann keine Rede sein. Für die Autobranche brechen erst mal schwerere Zeiten an, aber so zu tun als käme Thanos und schnippst einfach mal 900.000 Jobs weg ist halt auch völlig übertrieben. Viel realistischer ist, dass es läuft wie schon häufiger: Stellen werden nicht neubesetzt, die IG Metall lässt sich auf Kompromisse ein und am Ende ist die Zahl der betriebsbedingten Kündigungen überschaubar. Maschinenbau und Automobilindustrie sind Bereiche, die nicht einfach so verschwinden wie VHS oder Plattenspieler; selbst wenn beide in Deutschland dauerhaft im Abstieg begriffen wären (was ich erst mal für unsicher halte) würde es sehr lange dauern, bevor wir den vollen Effekt davon spüren.
Dafür, dass sich am deutschen Wohlstandsniveau irgendetwas grundlegend ändert, gibt es momentan wenig Anhaltspunkte. Das ist nicht "unredlich", es ist einfach realistisch.
 

YesNoCancel

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Wir sind halt gerade an einem Technologiesprung. Nokia war auch mal Primus im Mobilsektor, an dem kein Weg vorbei führte. Bis Apple und Google fachfremd die alte Ordnung zerbröselten und in dem in Bewegung geratenen Markt knallhart Verdrängung praktizierten. Unser Maschinenbau hängt wiederum sehr am Automobilbau, indirekt oder direkt. Deren zweites Standbein ist die Medizintechnik, die derzeit aber auch massiv unter die Räder kommt.
 

Gustavo

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Wir sind halt gerade an einem Technologiesprung. Nokia war auch mal Primus im Mobilsektor, an dem kein Weg vorbei führte. Bis Apple und Google fachfremd die alte Ordnung zerbröselten und in dem in Bewegung geratenen Markt knallhart Verdrängung praktizierten. Unser Maschinenbau hängt wiederum sehr am Automobilbau, indirekt oder direkt. Deren zweites Standbein ist die Medizintechnik, die derzeit aber auch massiv unter die Räder kommt.


Schön und gut, aber Nokia ist das beste Beispiel: Weder ist Nokia tot, noch gibt es heute keine Telefone mehr. Die Idee, dass einfach mal so eine Milliardenindustrie verschwindet halte ich für extrem weit hergeholt. Auf Autos werden Menschen auf absehbare Zukunft nicht verzichten wollen. Warum nicht weiterhin ein guter Teil davon von deutschen Autoherstellern kommen soll erschließt sich mir überhaupt nicht, zumal die letzten zwei Jahrzehnte ja relativ deutlich gezeigt haben, dass Premiummarken bei fast allem ziehen. Das ist alles etwas substanzlose Schwarzseherei.
 
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Wie nennt man das quasi Gegenteil von Gier? Es ist nicht gutgläubig sondern..........erhhm......naja so gutmütig - Richtung investieren.....ich komm nicht drauf :stupid3: ......so als Option halt!
 

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Ich verstehe nicht, was die Aussage des OP ist. Alles, was ich erkenne, ist ein unkonkretes "es wird bergab gehen", "der Chinese kommt uns alle holen" und "das ist das Ende vom Industriestandort Deutschland". Zumindest die letzten beiden hört man jetzt seit mindestens 20 Jahren und irgendwie ist D-Land noch immer eines der am höchsten industrialisierten Länder Europas.

Auf Drecksfotzen-Großbanken wie Deutsche und Commerzbank kann man hingegen getrost verzichten. Deren volkswirtschaftlicher Nutzen dürfte gegen Null tendieren, insofern ist es zu begrüßen, wenn diese langfristig von der Bildfläche verschwinden. Stattdessen sollte von politischer Seite alles getan werden, um Genossenschaftsbanken und Sparkassen zu erhalten.
 
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Okay. Ich hatte schon häufiger von einigen Ökonomen gelesen, dass es in einer überschuldeten Welt grundsätzlich schlecht sei seine Schulden zu reduzieren. Ich glaube das kam u.a. von Daniel Strelter, was dann deine Investitionsspielräume wären korrekt? Allerdings lese ich da oft genauso viel Uneinigkeit wie bei der Berwertung der Target2 Salden, wo es auch hier im Forum etliche Diskussionen unter den Ökonomen zu gab.
Afaik gibt es eine große Einigkeit darüber, dass es prinzipiell sinnvoll sein kann Investitionen über Schulden zu finanzieren. Allerdings hatten wir zuletzt so große Haushaltsüberschüsse, dass viele der Meinung waren, es würde erstmal reichen die zu investieren - statt etwa die konsumtiven Ausgabe zu erhöhen.
Das betrifft allerdings nur die staatlichen Investitionen. Wichtiger und vom Volumen her sehr viel größer sind aber die privaten Investitionen. Hier gehen die Meinungen stärker auseinander. Ziemlich einig ist man sich noch darin, dass in Deutschland zu wenig investiert wird und dass das größtenteils an den zu schlechten Rahmenbedingungen liegt (u.a. Infrastruktur, Bürokratie, Abschreibungsmöglichkeiten). Stark auseinander gehen die Meinungen in der Frage, ob man auch Steuersenkungen braucht, damit die Unternehmen mehr Kapital zur Verfügung haben. Diese Forderung wird traditionell eher von arbeitgebernahen Akteuren wie dem ifo vertreten, während z.B. das DIW da skeptischer ist.
 
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Also ich empfinde auch so wie der OP. Gefühlt ist Deutschland dabei seine Marktposition zu verwalten ohne erkennbaren Ansätze Zukunftsmärkte zu gestalten. Natürlich ist das Jammern auf einem hohem Niveau - aber auf dem befinden wir uns gerade und die Rückkehr zu einem mittlerem Niveau wäre schmerzhaft. Die einzelnen Meinungen hier, dass es den einzelnen Branchen ganz recht geschehe hat überhaupt nichts damit zutun, was Sie für unsere Wirtschaft und damit Wohlstand leisten. Es ist auch Scheißegal, ob sich der einzelnen jetzt ein lieber einen Japaner kauft oder Kapitalismus eh doof findet.
Ich komme aus der Mobilfunkbranche wage daher die gesamte Elektronikbranche zu bewerten: in Deutschland geht hier fast nichts mehr. Wir haben lange erfolgreich in D entwickelt, produziert und verkauft. Dann langsam die einfachen Produktionen outgesourcet, dann die komplexeren und jetzt sind wir dabei auch die Masse der Entwicklung abzugeben. Nach meiner Einschätzung halten sich unseren klassischen Elektronikkonzerne/Automobilzulieferer noch durch ihre Marktmacht, Erfahrung und Netzwerk über Wasser. Dauerhaft befürchte ich aber, dass noch Sales und Marketing übrig bleibt und der Rest woanders läuft. Das mag nicht so schlimm für den Börsenwert sein, ist aber fatal für die Masse der Bevölkerung, da der Wertschöpfungsanteil immer kleiner wird.

Automobilindustrie ist DER Motor für Deutschland und an dem hängt auch der deutsche Maschinenbau. Die Großen werden denke ich durch strategische Maßnahmen gut fortbestehend, aber das drum rum wird denke ich stark zurückgehen. Zufällig hatte ich letztens etwas Einblick bei Leoni bekommen: 5Mrd € Umsatz bei 90k MA... Extrem viel manuelle Fertigung. Wie soll so was auf Dauer gut gehen?

Gleichzeitig tauchen bei den Entwicklungen von neuen Radarsystemen fast nur amerikanische Firmenamen auf. Noch hat man evtl. die Markstellung um die Technologien später teuer einzukaufen, aber auf Dauer müssten "unsere" Firmen doch zumindest in "unseren" Branchen die Entwicklungen treiben?!
Gar nicht zu sprechen brauchen wir über die lukrativste Branche: Datenverarbeitung/Internetkonzerne. Abseits von SAP gibt es da in ganz Europa nichts. Uns (Telekom) bleibt gerade mal fremde Produkte (Samsung, Apple,..) mit eingekaufter Infrastruktur (Huawei) an den Mann zu bringen.

Das große Thema Industrie 4.0 ist nach meiner Meinung gut gemeint - aber das besteht vereinfacht aus 3 Säulen: Robotik (steht leider auf dem Einkaufszettel und strategischen Themen von Chinas Vision), Algorithmen/Big Data (können wir leider nicht), Datennetzte (eh schon alles in Asien)

#2 an die besten Jahr sind vorbei - und nein, es liegt nicht an den Flüchtlingen

ich weiß aktuell nicht, wo "wir" in Zukunft auf Weltebene wirklich was reißen sollen. Aber ich würde mich sehr gerne eines besseren belehren lassen!
 
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Sehe ich ähnlich. Wir leben von der Substanz und überbieten uns in Verboten und Steuererhöhungen, die es der Industrie immer schwerer macht die internationale Spitzenposition zu erhalten, die wir brauchen, um unseren überbordenden Sozialstaat weiter zu finanzieren. Alle heulen rum, dass dass die Löhne zu niedrig sind, aber die guten Jobs entstehen halt nicht beim Pizzataxi oder dem Sozialarbeiter.
Wir sollten alles tun, um dafür zu sorgen, dass auch in Zukunft Fahrzeuge und Maschinen made in Germany das non plus ultra sind und gleichzeitig in Big Data investieren, anstatt uns selbst mit Stromerhöhungen für ein schnelleres Kohle-Aus und Dieselverboten ins Knie zu schießen.

An den Franzosen brauchen wir uns natürlich noch lange nicht orientieren. Die sind zwar schlauer als wir, wenn es ums Abzocken und das Päppeln ihrer Industrie durch den Staat geht, aber ansonsten kein Vorbild. Jeder normal denkende Unternehmer denkt lieber zehnmal drüber nach, bevor er auch nur einen einzigen Mitarbeiter in Frankreich einstellt (den er nämlich nie wieder loswird und deren Produktivität im Vergleich zu den Kosten eher medium ist).
 
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deren Produktivität im Vergleich zu den Kosten eher medium ist).

Kann man so einfach auch nicht sagen:

https://rp-online.de/wirtschaft/wirtschaftskolumnen/der-oekonom/frankreich-ist-produktiver-als-deutschland_aid-18230659

Ausgerechnet bei dieser Größe schneidet Deutschland im Vergleich der EU-Ländern nicht so besonders gut ab. Es erreicht gerade einmal den europäischen Schnitt. Länder wie Schweden, die Niederlande oder Österreich, aber auch Frankreich sind deutlich besser.
 

parats'

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Das Hauptproblem ist sicherlich sie schwache Industriepolitik. Bestes Beispiel ist 5G, da entziehe ich durch die Auktion Milliarden den entsprechenden Unternehmen und wundere mich dann, wieso nichts voran geht. Wären die Preise deutlich günstiger angesetzt und an eine Abdeckung von X in Y Jahren gekoppelt, hätten genau diese Milliarden super investiert werden können. Davon mal ab, dass diese Summe auch in den Haushaltsüberschuss des Bundes einfließt.
 

Gustavo

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"Wir leben von der Substanz", "Steuererhöhungen", "überbordender Sozialstaat", "Big Data" sind eine gute Basis in jedem Bullshit-Bingo. Ich würde vielleicht noch "Coden als Schulfach", "Chinesisch als Fremdsprache", "Deutsches Stanford" und "Uber für X muss aus Deutschland kommen" ergänzen.
 
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Das Hauptproblem ist sicherlich sie schwache Industriepolitik. Bestes Beispiel ist 5G, da entziehe ich durch die Auktion Milliarden den entsprechenden Unternehmen und wundere mich dann, wieso nichts voran geht. Wären die Preise deutlich günstiger angesetzt und an eine Abdeckung von X in Y Jahren gekoppelt, hätten genau diese Milliarden super investiert werden können. Davon mal ab, dass diese Summe auch in den Haushaltsüberschuss des Bundes einfließt.
Na moment, aber irgendwie musst du den Auftrag ja vergeben - ganz abgesehen von den rechtlichen Verpflichtungen aus dem Vergaberecht, rein wirtschaftlich betrachtet - wie willst du denn sonst bestimmen, wer den Auftrag durchführen darf, wenn nicht über die Eignung und einen Preiswettbewerb?
 
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Die Arbeitslosigkeit Frankreichs ist mehr als doppelt so hoch wie die Deutschlands und das schon seit ner ganzen Weile. Wenn unproduktive Arbeitnehmer gar nicht arbeiten, dann steigert das natürlich die Produktivität pro Arbeitnehmer. Erstrebenswert ist es trotzdem nicht



Was ich an dieser Diskussion immer müßig finde, ist die anekdotenhafte Beliebigkeit, mit der sie geführt wird. n00dls Beitrag zeigt das imo ganz gut: Nichts ist wirklich falsch, aber es ist nur ein kleiner Ausschnitt. Es ist nicht schwer Deutschland und allgemein Europa in Grund und Boden zu reden, wenn man regelmäßig Daniel Stelter zuhört. Und ich sage auch nicht, dass er und andere mit ähnlicher Message nur Kappes reden. Aber man sollte sich klar machen, dass es nicht die einzige mögliche Sichtweise ist.
Germany Breaks Korea’s Six-Year Streak as Most Innovative Nation
https://www.bloomberg.com/news/arti...a-s-six-year-streak-as-most-innovative-nation

Klar muss das kein langfristiger Trend sein. Aber bisher scheint vieles in Deutschland noch sehr gut zu funktionieren. Ich bin jedenfalls skeptisch, wenn suggeriert wird, dass Deutschland oder allgemein Europa quasi in den letzten Zügen liegt.
Es wirkt intuitiv mit großen Augen auf die Erfolge der amerikanischen Digitalindustrie zu schielen. Aber wenn man sich anguckt, wie viele Jobs Weltkonzerne wie Google und Facebook bereitstellen, schrumpfen die Augen - auch wenn viele davon extrem gut bezahlt sind. Für wichtiger halte ich langfristig, dass man zu einem internationalen System kommt, das sicherstellt, dass solche Konzerne effektiv besteuert werden und die Steuern auch dort zahlen, wo sie den Umsatz erwirtschaften.

Zweifellos kann und sollte die Politik einiges tun, um Deutschland zukunftsfähig zu machen - und eine besonders gute Figur gibt sie in den letzten 15 Jahren nicht ab. Viele Versäumnisse sind ärgerlich und einfach unnötig. Aber ins gesamt rate ich zu mehr Entspanntheit: Ich sehe nicht, warum irgend jemand hier "bluten" muss, nur weil wir in diesem oder jenem Bereich nicht mehr zur Weltspitze gehören.
 

parats'

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Na moment, aber irgendwie musst du den Auftrag ja vergeben - ganz abgesehen von den rechtlichen Verpflichtungen aus dem Vergaberecht, rein wirtschaftlich betrachtet - wie willst du denn sonst bestimmen, wer den Auftrag durchführen darf, wenn nicht über die Eignung und einen Preiswettbewerb?

!?
Die Auktion hat dem Bund 6,5mrd Euro eingebracht. Vergib die Rechte für die Hälfte und nutze die andere Hälfte für direkte Investitionen.
 

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"Wir leben von der Substanz", "Steuererhöhungen", "überbordender Sozialstaat", "Big Data" sind eine gute Basis in jedem Bullshit-Bingo. Ich würde vielleicht noch "Coden als Schulfach", "Chinesisch als Fremdsprache", "Deutsches Stanford" und "Uber für X muss aus Deutschland kommen" ergänzen.
Das habe ich mir auch gedacht, insb. bei "Big Data". Big Data von was und für was?
 
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n00dls Beitrag zeigt das imo ganz gut: Nichts ist wirklich falsch, aber es ist nur ein kleiner Ausschnitt.

》Mag sein, aber das ist mein Ausschnit. Ich freue mich auf Beispiele

Es wirkt intuitiv mit großen Augen auf die Erfolge der amerikanischen Digitalindustrie zu schielen. Aber wenn man sich anguckt, wie viele Jobs Weltkonzerne wie Google und Facebook bereitstellen, schrumpfen die Augen.

》 trotzdem bringen die Kohle ins Land, um den Wohlstand zu stützen.


Das habe ich mir auch gedacht, insb. bei "Big Data". Big Data von was und für was

》 ganz plakativ: scheissegal. Es geht darum aus der "neuen" Ressource "daten" Informationen --> Geld zu generieren. Das Problem ist eher, dass wir zu den Daten keinen Zugang haben und selbst wenn dann wir durch strenge Regeln nur sehr eingeschränkt bearbeiten können.
 

Gelöschtes Mitglied 137386

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!?
Die Auktion hat dem Bund 6,5mrd Euro eingebracht. Vergib die Rechte für die Hälfte und nutze die andere Hälfte für direkte Investitionen.

Du darfst die Rechte nicht einfach ohne Auktion vergeben. Was meinst du wofür es ein Vergaberecht gibt? Ohne sind wir in Tadschikistan oder Kiew wo man sich gegenseitig Milliardenaufträge zuschustert für kleine Gefallen unter Freunden.
 
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Du darfst die Rechte nicht einfach ohne Auktion vergeben. Was meinst du wofür es ein Vergaberecht gibt? Ohne sind wir in Tadschikistan oder Kiew wo man sich gegenseitig Milliardenaufträge zuschustert für kleine Gefallen unter Freunden.

Ich bin jetzt kein Experte im Vergaberecht, aber ich glaube nicht, dass man sowas versteigern _muss_ und wir ansonsten bei Vetternwirtschaft und Korruption wären. Man kann ein ordentliches Leistungsverzeichnis aufbauen und dann neben dem Preis noch andere Bewertungskriterien einbeziehen, wie z.B. das technische Konzept oder fachkundiges Personal.
Allgemein ist Deutschland da, für mich zumindest im direkten Vergleich mit der Schweiz und Österreich, noch hinterher hinkend. Zumindest im Verkehrsbereich ist oft die preisliche Komponente immer noch viel zu dominierend.
 

Gelöschtes Mitglied 137386

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Ich bin jetzt kein Experte im Vergaberecht, aber ich glaube nicht, dass man sowas versteigern _muss_ und wir ansonsten bei Vetternwirtschaft und Korruption wären.

Ich befasse mich schon damit beruflich zu einem gewissen Teil und würde behaupten, dass man muss. (Wobei ich das natürlich nicht geprüft habe, es gibt durchaus Ausnahmen, bei denen man auf eine öffentliche Vergabe verzichten kann bzw. ins Bewerberverfahren gehen kann und Mischformen dazwischen, aber ich gehe hier nicht von einem solchen Fall aus - die sind auch sehr selten, selbst bei Sicherheitsspezifischen Verteidigungsprojekten sieht man ja am Beispiel der nun vergebenen Marine Schiffe, dass man nicht einfach um eine europaweite Ausschreibung herumkommt).

Man kann ein ordentliches Leistungsverzeichnis aufbauen und dann neben dem Preis noch andere Bewertungskriterien einbeziehen, wie z.B. das technische Konzept oder fachkundiges Personal.

Da steigt dir die Kommission aber sehr schnell aufs Dach und du bist im Nachprüfungsverfahren, weil dich jeder verklagt, der nicht den Zuschlag bekam. Die Kommission sieht in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle das wirtschaftlichste Angebot als einziges Kriterium, das den Anforderungen an Transparenz und Diskriminierungsfreiheit nachkommt. Du kannst (und das wird auch oft gemacht) zusätzlich Leistungskriterien in die die Unterlagen aufnehmen. Aber auch da haben wir schon langwierige Verfahren führen müssen, weil unterlegene Bieter gemeint haben, die Kriterien wären willkürlich.

Also ohne Maximalpreis- und Wirtschaftlichkeitskriterium ist einfach dein Risiko als Vergabestelle gleichmal um einiges höher.

Allgemein ist Deutschland da, für mich zumindest im direkten Vergleich mit der Schweiz und Österreich, noch hinterher hinkend. Zumindest im Verkehrsbereich ist oft die preisliche Komponente immer noch viel zu dominierend.

Wie gesagt das liegt weniger an Deutschland, Deutschland hat nichtmal ein "eigenes" Vergaberecht, sondern hat im GWB schlicht die europäischen Vorgaben kodifiziert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in Österreich groß anders ist. Die Schweiz ist da natürlich wesentlich freier was ihr Vergaberegime angeht, aber davon habe ich keine Ahnung.
 
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parats'

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Du darfst die Rechte nicht einfach ohne Auktion vergeben. Was meinst du wofür es ein Vergaberecht gibt? Ohne sind wir in Tadschikistan oder Kiew wo man sich gegenseitig Milliardenaufträge zuschustert für kleine Gefallen unter Freunden.

Ich sage nicht, dass es keine Auktion dazu geben soll. Aber der Angelegenheit alleine vor Beginn 6,5mrd zu entziehen ist einfach kontraproduktiv und das ist der Kernpunkt. Denn am Ende beschweren sich alle, dass wir im Jahr 2020 noch im Schnitt bei unter 25MBit liegen.
 
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Gelöschtes Mitglied 137386

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Das Ziel des Vergabeverfahrens ist einen korrekten Marktpreis zu ermitteln. Denn tust du das nicht, kann zB die Vergabe einer Konzession oder eines anderen Vorteils als Beihilfe gewertet werden (du verschaffst einem Unternehmen einen selektiven Vorteil, den es unter Marktbedingungen nicht gehabt hätte). Der Weg um das auszuschließen ist ein transparentes und diskriminierungsfreies Bieterverfahren.
Ich verstehe nicht ganz was du mit "von Anfang an entziehen" meinst. Der Preis wurde ja gerade nicht festgelegt, sondern entsteht aus den Geboten der Interessenten.
 
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als würden sich die handvoll anbieter in DE nicht absprechen und künstlich den preis hochhalten. quelle: rest der welt
 

Gelöschtes Mitglied 137386

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als würden sich die handvoll anbieter in DE nicht absprechen und künstlich den preis hochhalten. quelle: rest der welt

Ne, das ist ein Stammtischgeblubber (toller Beweis auch :D) , das wie immer nichts mit der Realität zu tun hat. In Wirklichkeit reissen sich Firmen ein Bein aus und bezahlen viel Geld für Anwälte, die sicherstellen, dass der Verdacht gar nicht erst aufkommt. Ansonsten wird es teuer. Und ich meine Konzernruin-Pleite teuer.

Vor allem hat das mit dem Thema mal gar nichts zu tun. Was du beschreibst ist eine Preisabsprache/Preiskartell - die gibt es natürlich, sie fliegen aber auch immer wieder auf und dann wirds böse. Wir machen mindestens 50% unseres Umsatzes mit Schulungen und Prüfungen von Vertriebssystemen oder Kooperationsverträgen, damit sie nicht auch nur den Anschein erwecken, dass irgend eine Koordination stattfinden könnte. Und fast immer müssen die Unternehmen ihre Verträge dann ändern, weil sie schlicht gegens Kartellrecht verstoßen.

Aber welches Interesse hätte ein Bieter daran den Preis im Vergabeverfahren künstlich hochzuhalten?
 
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TheGreatEisen

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"Wir leben von der Substanz", "Steuererhöhungen", "überbordender Sozialstaat", "Big Data" sind eine gute Basis in jedem Bullshit-Bingo. Ich würde vielleicht noch "Coden als Schulfach", "Chinesisch als Fremdsprache", "Deutsches Stanford" und "Uber für X muss aus Deutschland kommen" ergänzen.

#

Da wir hier ja alle gerade angestrengt in unsere Glaskugeln stieren und mehr über Gefühle als über Fakten sprechen...

Deutschland wird seit 1990 konsequent für "abgehängt" erklärt.
 
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Aber welches Interesse hätte ein Bieter daran den Preis im Vergabeverfahren künstlich hochzuhalten?

wüsste ich keines. aber wenn die preisbildung beim mobilfunk funktioniert, weshalb ist deutschland als hochtechnologieland im vgl zum ausland dermaßen teuer? du machst imo ein "marktargument" um das bietverfahren zu rechtfertigen, während die mobilfunkkosten in DE belegen, dass die marktgesetzmäßigkeiten nicht greifen.
 

parats'

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Das Ziel des Vergabeverfahrens ist einen korrekten Marktpreis zu ermitteln. Denn tust du das nicht, kann zB die Vergabe einer Konzession oder eines anderen Vorteils als Beihilfe gewertet werden (du verschaffst einem Unternehmen einen selektiven Vorteil, den es unter Marktbedingungen nicht gehabt hätte). Der Weg um das auszuschließen ist ein transparentes und diskriminierungsfreies Bieterverfahren.
Ich verstehe nicht ganz was du mit "von Anfang an entziehen" meinst. Der Preis wurde ja gerade nicht festgelegt, sondern entsteht aus den Geboten der Interessenten.

Genau da liegt glaube ich der Unterschied in unserer Auffassung. Du befürwortest eine Preisbildung wie im freien Markt und ich empfinde dies als kontraproduktiv, wenn die Folge dessen eine schleppende Ausführung des Auftrags ist. Ich sehe in diesem Fall keinen Vorteil dieser Preisbildung.
 

Gelöschtes Mitglied 137386

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Vielleicht reden wir aneinander vorbei, aber ich habe gar nichts dazu gesagt, was ich befürworte, ich habe nur den status quo beschrieben und gesagt, warum das Verfahren so war, wie es war.

Ich finde es aber auch tatsächlich recht sinnvoll, weil du bei anderen Kriterien als dem Marktpreis immer sehr schnell in Bereiche kommst, in denen Wertungskriterien bewusst dazu genutzt werden unliebsame Bieter auszuschließen - und das ist eben nicht im Sinne eines freien und transparenten Wettbewerbs. Der Vorteil ist die Unverfälschtheit des Wettbewerbs, was das Ziel des gesamten Regelungskomplexes aus Kartell-, Vergabe- und Beihilferecht ist.

du machst imo ein "marktargument" um das bietverfahren zu rechtfertigen, während die mobilfunkkosten in DE belegen, dass die marktgesetzmäßigkeiten nicht greifen.

Hä aber das sind doch völlig verschiedene Dinge, die du da jetzt vermischt. Das ist mir iwie zu konfus, ich verstehe nicht so richtig was du meinst. Was hat das Prinzip des wirtschaftlichsten Gebots bei der Zuschlagserteilung im Vergaberecht mit Preisabsprachen in regulierten Märkten zu tun? Der Mobilfunkmarkt ist ja nicht wie der Markt für Rennräder oder so relativ frei, sondern ist in einem relativ engen Regulierungskorsett eingeschnürt.
 
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Ich sage nicht, dass es keine Auktion dazu geben soll. Aber der Angelegenheit alleine vor Beginn 6,5mrd zu entziehen ist einfach kontraproduktiv und das ist der Kernpunkt. Denn am Ende beschweren sich alle, dass wir im Jahr 2020 noch im Schnitt bei unter 25MBit liegen.

Iirc wurden die 4G Lizenzen in der Schweiz damals ebenfalls versteigert bzw. sollten Versteigert werden. Wenn ich mich recht erinnere hat dann einer der grossen Anbieter zurückgezogen unds gab noch genau so viele intressierte/fähige wie Lizenzen, entsprechend hoch war dann der Preis. Hat der Staat ganz doll hinbekommen ;).
 
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Vielleicht reden wir aneinander vorbei, aber ich habe gar nichts dazu gesagt, was ich befürworte, ich habe nur den status quo beschrieben und gesagt, warum das Verfahren so war, wie es war.

Ich finde es aber auch tatsächlich recht sinnvoll, weil du bei anderen Kriterien als dem Marktpreis immer sehr schnell in Bereiche kommst, in denen Wertungskriterien bewusst dazu genutzt werden unliebsame Bieter auszuschließen - und das ist eben nicht im Sinne eines freien und transparenten Wettbewerbs. Der Vorteil ist die Unverfälschtheit des Wettbewerbs, was das Ziel des gesamten Regelungskomplexes aus Kartell-, Vergabe- und Beihilferecht ist.

Naja das ist jetzt aber sehr theoretisch. Klar, wenn es darum geht einen Kubikmeter Zement zu liefern, dann ist das nachvollziehbar. Aber gerade dadurch, dass immer weniger in Lose aufgeteilt und immer mehr funktional vergeben wird, wird der Preis als objektives Kriterium immer unbrauchbarer, da die Anforderungen beliebig interpretiert werden können. Beispiel von uns: "Erstelle ein Parkplatzbilanzierungssystem!" Bei Preis als einzigem Faktor hast du regelmäßig Firmen, die mit absurden technischen Konzeptionen kommen, die dadurch aber deutlich günstiger sind. Die Verwaltung kann das dann teilweise, aufgrund mangelnden Sachverstandes, gar nicht als solche identifizieren und es wird nach Preis vergeben.

Andere Kriterien mögen teilweise subjektiver sein, ja. Wenn sie aber in der Vergabe am Ende bessere Ergebnisse erzielen, dann sind sie trotzdem zu bevorzugen. Btw. unliebsame Bieter kriegst du immer noch auf genügend andere Weisen ausgeschlossen, wenn man es denn will.
 
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