@Celetuiw gerade Talkshows sind jetzt kein gutes Beispiel, weil sie ja meistens genau so besetzt sind.
Ich verstehe auch was Du meinst, und Du liegst da allgemein ja auch nicht falsch was "bodenständig, spießig, usw." angeht. Es kommt schon auch darauf an worauf man schaut, und da gibt es eben auch die Ecken die genau in die von mir gemeinte Richtung polarisieren. Wer sich daran reibt wird ganz gewiss besonders darauf schauen.
Die Show gestern mit Merz hab ich mir natürlich nicht angeschaut, weil ich ohnehin fast null TV schaue, aber ich habe heute früh schon mitbekommen, was da für Reaktionen kamen. Holy moly. Ist natürlich ein gewohnt ungeschicktes Gepoltere von einem bescheidenen Herren aus der 'oberen Mittelschicht'. Aber die Reaktionen sind ähnlich übertrieben. Da wird direkt ein sehr kurzer Weg von Frieder M zu Hitler und Auschwitz gezogen. Puh.
Lesenswert dazu der Faktencheck-Artikel der Welt. Fazit: gibt an der Stelle nicht so wirklich viel über was man sich aufregen müsste. Merz hätte wohl lieber gesagt, dass er "besorgt ist, dass in der Bevölkerung die Diskussion so wahrgenommen wird, dass einerseits Leistungen für ausreisepflichtige Menschen relativ großzügig moralisch bewilligt werden, wohingegen an anderen Stellen um jedes Bisschen gefeilscht wird. Dies wird von vielen als Ungleichgewicht/ungerecht wahrgenommen, was ein Teil dessen ist, was aktuell der AfD nutzt."
(nicht meine persönliche Meinung, aber ganz von der Hand zu weisen ist die Argumentationsrichtung nicht. Ich finde es eher problematisch, dass mit vollen Händen diejenigen subventioniert werden die schon viel haben.)
@Gustavo Ja klar. Wenn ich das so zurückverfolge, dann ist das Thema der "Meinungsbubble" beim ÖRR erst zusammen mit der AfD und ihren Themen so richtig groß geworden. Davor ging es viel mehr um "gegen GEZ-Zwangsgebühr weil ich ja ohnehin nicht TV schaue". Man konnte es vorher schon auch schon thematisieren, aber da musste man dann mehr über Gemauschel in den Rundfunkräten reden sowie die absurden Zustände bei den Gehältern.
Ich bekomme meine Einschätzung hauptsächlich daher, dass ich Arbeitskollegen dabei zuhören muss, worüber sie sich aufregen. Und das ist halt, je nach Bereich, eine gefühlt okaye Repräsentation des "Stammtischs". Da spielen dann viel grundsätzliche Anthipathien eine Rolle und auch das Gefühl, dass der ÖRR eine gewisse Hofberichterstattung pflegt. Auch ein Vorwurf, den man nicht einfach so vom Tisch wischen kann, denn es gab gerade in den Merkeljahren durchaus genug unterwürfiges Stiefellecken, dass das auch mir in Erinnerung geblieben ist.
Was ebenfalls stark rezipiert wird sind Sendungen mit (pun very much intended) Sendungsbewusstsein, die als Umerziehungsversuch wahrgenommen werden, was den Leuten dann ungut aufstößt.
Meine persönliche Meinung ist da eher, dass mich ärgert, dass unser ÖRR finanziell eine so höllisch ineffizienter Selbstbedienungsladen ist und es nicht schafft eigene Formate ähnlich erfolgreich international zu vermarkten wie die BBC. Stattdessen haben wir den Rundfunkstaatsvertrag und eine Depublizierungsfrist …
Ich halte es schon für nicht optimal, dass die Redaktionen im ÖRR meinungsmäßig sehr homogen zu sein scheinen, aber das ist nichts was man per Dekret ändern kann. Ein aktives (internes) Campaigning für mehr Diversität im Sinne von Berufschancen für Menschen mit Migrationsgeschichte ist auch total in Ordnung, wird aber auf eine Art und Weise nach außen verkauft, die auch wieder viele vor den Kopf stößt.
Wenn ich ein paar Wünsche für den ÖRR frei hätte, wäre es trotzdem nichts in diese Richtung, sondern:
- realistische Gehaltsstruktur
- starke Compliance und Regeltreue, um Vertrauen zu schaffen (inklusive viel Transparenz)
- mehr Mut zum eigenen Programm und Förderung des Nachwuchses (mehr 3Sat könnte man sagen)
- weniger Mischpoke-Deals mit immer den gleichen Schauspielern
- weniger Einheitsbrei-Shows … TerraX war schonmal sehr viel besser
- deutlich stärkeren internationalen Blick (aber nicht so moralisierend, bitte bei BBC, CNN, den Franzosen und weiteren guten Formaten abschauen)
- vielleicht nicht mehrere Hundertschaften von ZDF _und_ ARD zur Fußball-WM zur parallelen Berichterstattung schicken. (Für mich ein gutes Beispiel für Selbstbedienungsladen meets Strukturproblem meets fehlendes Kosten- und Auftragsbewusstsein.)
- meinetwegen weiterhin Unterhaltungsauftrag, Fernsehgarten, rote Rosen und Ärzteserien, dafür aber bitte dann ein fokussierteres Angebot, ein Redesign der Regionalangebote mit weniger Wiederholungen und mehr tatsächlichem Regionalcontent, meinetwegen dann nur digital und on Demand wenn man sonst nicht genug für einen Dauerbetrieb hat.
Mich stört wirklich v.a. diese wabernde Visionslosigkeit bei gleichzeitig beschissener Kostenstruktur.
Gefühlt hat sich am ö-r-Fernsehen seit meiner Kindheit echt nicht so viel verändert (sicherlich ein Wahrnehmungsding, weil sich ja definitiv viel geändert hat) und ich sehe nicht, dass hier viele Impulse für den öffentlichen Diskurs kommen. Interessante Sendungen versauern in beschissenen Slots der dritten Programme, Einheitsbrei dominiert das was ich sehe wenn ich mich doch mal für 5 Minuten durch die Kanäle zappe. Anne Will et al, Wiederholung einer Arztserie, Tagesschau, Wiederholung von Wer weiß denn sowas, Wiederholung von Gefragt gejagt, Wiederholung von dieser "alten Schrott zu Geld machen"-Show, irgendwelche Verbrauchermagazine, Sebastian Lege versucht Hanuta nachzubauen, MaiLab erklärt mir die Welt auf ELI5-Level, Ende.
Das gibt mir echt nix. Da ist mir das Hanuta nachbauen fast noch das Interessanteste, auch wenn ich den Ton der Sendung nicht mag.
ad GEZ: touché
Allerdings müsste man dann ehrlicherweise sagen, dass dieses Geld ja schon im Lohnsteuerabzug drinsteckt und tatsächlich auch nicht per HH erhoben wird. Jetzt wo ich es sage … es gibt doch bestimmt irgendwo eine Übersicht wo das Steueraufkommen prozentual auf die Zwecke gemappt wird, oder?